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Alles Schiff Ahoi!

  • Autorenbild: Alessa Prochaska
    Alessa Prochaska
  • 5. Juli 2021
  • 4 Min. Lesezeit


“Wir machen einen Segeltörn.” In meinem Kopf hatte ich das Bild vom chilligen Lesen auf dem Schiffsbug, bisschen Füße ins Wasser halten...

Doch nach ein paar Stunden war mir klar, dass es sich vielleicht anders entwickeln könnte.

Ich machte mich mit dem Segelboot vertraut und man gab mir auch rasch die ersten Aufgaben. Seile holen, Seile festmachen und Anker lichten. Nachdem ich ein Seil durch die falsche Lasche gezogen hatte und so das Spannen des Segels unmöglich wurde und nachdem ich statt den Anker zu lichten, die gesamten Sicherungen am Segelschiff ausgeschalten hatte, wurde mir genauestens erklärt, für welche Matrosen Aufgaben ich nun eingeteilt werde:

Wenn Peter das Kommando ruft und den Kurs festsetzt, wenn Greti die große Genua dann entsichert und das Seil straff hält und sich mit dem gesamten Gewicht dagegen stellt und wenn David dann mit all seiner Kraft am Seil zieht und die Genua aufspannt und auch fest sichert, dann war mein Job ruhig zu sitzen und den anderen aus dem Weg zu gehen.

Tja, da sieht man mal wieder was ich für eine Verantwortung auf diesem Schiff hatte. Soll mal einer meinen ich sei unnütz!



Wir stechen in See

Der Wecker hat uns um 4:00 geweckt. War mir schlecht und war jeder Schritt ein Wagnis? Ja. Aber das hätte ich zu diesem Zeitpunkt nie zugegeben. Frierend, aber bestens gelaunt stachen wir in totaler Finsternis in See. Kommandos wurden gegeben und Daten wurden ausgetauscht. Es war schon ein wenig gespenstisch. Doch nach und nach wurde es heller. Die Farben des Himmels hätten Munch in Erstaunen versetzt. Für eine wienerische Landratte und Leichtmatrosen wie mich, war das alles sehr faszinierend. So saß ich auf dem schönsten Segelschiff, das ich jemals gesehen hatte und sah mir das Meer an - so viel Meer hatte ich eigentlich noch nie gesehen. Das Meer bei Nacht, bei Sonnenaufgang, bei leichtem oder auch bei hartem Wind. Es war großartig. Doch die Ruhe war nicht von langer Dauer.


Das erste Manöver


Als Segel-Neuling haben diese Manöver bei mir mächtig Eindruck hinterlassen. Viertelstündlich rief unser Kapitän anfangs unverständliche Befehle "Genua einholen!”, “Groß ausfahren!”, “Fertig machen zur Wende!“ Wie schon beschrieben, wusste ich genau, was ich bei einem Manöver zu tun hatte. Die Anderen Gott sei Dank auch. Es war nämlich essentiell, dass das Manöver klappt, denn nach jedem erfolgreichen Manöver bekamen wir einen “Manöver Schluck”. Das war meist ein hochprozentiger Schnapps mit Zitrone. So verhielt ich mich bei den Manövern atypisch ruhig - schließlich wollte ich ja, dass das Manöver erfolgreich ist. Aus verschiedenen Gründen.


Ein Alessa Tag


Es ist wirklich viel passiert auf diesem Segeltörn. Meine Vermutung, dass meine Schwiegereltern und mein Schwager in spe absolut großartige Menschen sind, hat sich mehrfach bestätigt. Dass ich eine sehr schlechte Canasta-Verliererin bin auch. Aber das Highlight der gesamten Woche, war der ganz zufällig sogenannte “Alessa - Tag”. Ganz überraschend ist das einer meiner Lieblingstage.

Dieser Tag begann wie alle andere Tage: Ein tolles Frühstück am Boot und dann ein Kurs mit wunderbarer Aussicht. Wir sind auch „hart am Wind“ gefahren und saßen ziemlich schief am Boot – das war richtig cool. Doch das war es noch lange nicht. Irgendwann wurde die Idee in die Runde geworfen, dass wir uns doch frische Miesmuscheln holen könnten. ICH LIEBE MEERESFRÜCHTE. Also war eine freiwillige Muscheltaucherin schnell gefunden. Ich bekam ein Netz um den Bauch geschnallt und dicke Handschuhe angezogen. Danach stiegen wir auf das sogenannte „Dingi“ (das kleine Beiboot bei den großen Segelbooten). Nach zwei weniger erfolgreichen Sammelversuchen bei Holzpfählen, schlug ich vor bei einer Betonwand halt zu machen und dort unser Glück zu versuchen. Und dort waren Muscheln. Wir wussten zwar nicht welche, aber es waren viele. Halb im Wasser, halb im Boot spürte ich auf einmal, wie sich mein Geruchssinn verbesserte, meine Pupillen sich vergrößerten und ich mit voller Kraft die Muscheln von der Wand brach. Ich denke, der Jagdinstinkt hat mich voll und ganz in seinem Bann gehabt. Nur die Aussicht auf das Muscheln-Putzen stoppte mich irgendwann.


Und so kamen wir zurück aufs Boot. Ich bekam einen Eimer und ein großes Messer und fing an die Muscheln zu inspizieren. Solche hatte ich noch nie gesehen. Man konnte nicht erahnen wo die Muschel endet und der Stein anfängt. Mein Versuch die erste Muschel zu öffnen, dauerte länger als gedacht. Sie waren auf jeden Fall zäher als Miesmuscheln, größer als Venusmuscheln, aber kleiner als Jakobsmuscheln. Mit einem stumpfen, aber sehr langem Messer versuchte ich gegen die Verschlossenheit der Muschel anzukämpfen. Meine Mitsegler waren auch gespannt. Und dann kam der erste Ausruf hinter mir „Ich werde verrückt! Das sind Austern! Alessa hat 30 Austern gefangen!“. Ich konnte mein Glück nicht fassen, da lagen zwar sehr dreckige aber wunderschöne Austern in meinem Eimer. Dieser “Jagdinstinkt” von dem ich vorher geschrieben habe, war ein Lercherlschas von dem was ich jetzt fühlte. Ich muss sie ALLE öffnen. ALLE! Schau Welt, die Wienerin hat Abendessen gefangen! Es war ein so unglaublich tolles Gefühl. Deswegen fällt mir die nächste Blog-Passage sehr schwer. Denn jetzt kommt die Stelle, wo ich die meisten Leser wahrscheinlich verlieren werden.


Bin ich jetzt Arielle?

Mit zitternden Fingern und viel Kraft aus den Oberarmen knackte ich endlich meiner erste Auster. Sie war wirklich wunderschön. Nachdem ich endlich aufgehört hatte „Ich habs geschafft! Ich habs geschafft!“ zu schreien, wurde ich sehr ruhig und fokussierte mit offenem Mund die Muschel. Wahrscheinlich dachten die anderen, dass ich einen Schlaganfall erleide oder endgültig zum hyperventilieren anfange. Aber nein. Es waren nicht nur meine ersten selbst gefangenen Muscheln. Es war auch nicht meine erste selbst-geöffnete Auster. Es war meine erste selbst gefangene Auster, die eine PERLE in sich verbarg. Eine echte Perle. Meine Freude war nicht mehr auszuhalten! Die Perle war winzig. Aber es war eine Perle. MEINE Perle.

Ich dachte, dass der Tag einfach nicht mehr besser werden konnte. Frische Austern aus dem Meer mit Zitrone, frische Austern mit Käse gratiniert aus dem Ofen und auch noch die beste Segelcrew, die es gibt. In Hollywood würde man jetzt “CUT” rufen. Aber nein, der Tag hatte noch mehr zu bieten: Ich hab beim Kartenspielen gewonnen. Man sagt mir nach, dass ich eine unglaublich schlechte Verliererin bin. Und alle, die sich da gerne das Maul zerreissen und meinen diese Botschaft in die Welt tragen zu müssen, denen sag ich nur: IHR HABT ABSOLUT RECHT. Aber auch da war mir an diesem Tag das Schicksal hold. Am Abend gewann ich auch noch mit unserer Segelchefin im Canasta.



 
 
 

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