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Alles Fußball

  • Autorenbild: Alessa Prochaska
    Alessa Prochaska
  • 11. Mai 2020
  • 4 Min. Lesezeit

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Dass ich Prochaska heiße, ist nicht meine einzige Verbindung zum Fußball. Mein Papa war als „Bulle“ eigentlich seit er atmen kann im Wiener Fußball unterwegs. Die Wiener Bezirke habe ich anhand der verschiedenen Fußballplätze gelernt. Schließlich hatte ich gefühlt schon alle mindestens einmal besucht. Ihr habt wahrscheinlich schon einige Fußball-Berichte gelesen. Aus der Sicht eines Fußballers, eines Trainers oder eines Journalisten. Ich möchte eure Sicht um ein Spektrum erweitern: Meine Sicht. Die Sicht einer Fußballer Tochter. 

In meiner Schulzeit war ich ein ziemlicher Nerd. Ich hatte eine Brille, eine fixe Zahnspange und ein paar Kilöchen zu viel auf den Rippen. Wenn die anderen Mädels mit Spagettiträger Shirts und Körbchen Größe mini A Burschen beeindruckt haben, habe ich damit beeindruckt, dass ich ihnen in der Pause erklärt hab, warum Manchester United beim gestrigen Spiel die 4er Kette nach der Halbzeit umgestellt hat. Ich habe auch selbst in der Schülerliga gespielt, weil die Trainerin gehofft hatte, dass sich das Talent meines Vaters auf mich übertragen hat. Sie war sehr enttäuscht, dass dies ganz und gar nicht der Fall war. Aber die Tribüne war mir auch um einiges lieber. Als Kind habe ich die Besuche auf dem Fußballplatz sehr genossen. Es gab viele andere Kinder, mit denen ich spielen konnte, irgendjemand hatte immer etwas zu naschen dabei und meine Eltern waren froh, weil ich am Abend ausgepowert war. 

Als dann mein Papa vom Spielertrikot in den Trainer-Anzug gewechselt hat, war das natürlich eine Umstellung. Umso spannender war es aber zu sehen, dass er den strengen Papa auch bei seinen Spielern super drauf hatte. Ich dachte mir „Tja, meine Lieben und jetzt probiert ihn mal bei DER Stimmung zu fragen, ob du fort gehen darfst! Ha!“ Aber es gab noch mehr Parallelen zu meiner Kindheit: Mir hat er das Fahrradfahren und das Schwimmen beigebracht, seinen Schützlingen im Verein, dass man nicht immer dem Ball nachlaufen soll und AUF DIE BOX ACHTEN MUSS! Und eines hat er beiden Welten beigebracht: Sei authentisch, sei ehrlich und hab keine Angst. 

Was er mir damals nicht mitgegeben hat war, dass man auf diesem Wege aber vermeintliche Freunde, potentielle Liebelein und unter Umständen auch Vereine verliert. Denn wenn wir uns ehrlich sind: Es ist verdammt schwer man selber zu sein, wenn es die anderen nicht aushalten. Wie viele Tränen habe ich aus Wut vergossen, weil mich anscheinend manche einfach nicht verstehen wollten. 1000de Male habe ich probiert ruhiger zu sein, meine Meinung in wunderschöne Floskeln zu packen oder habe mir geschworen zwei Mal nachzudenken, bevor ich etwas sage.

Zu einem gewissen Teil ist es das Erwachsen werden, das „Dazu-Lernen“ und sich Weiterentwickeln, das einen ein wenig in die „richtige“ Richtung treibt. Wenn man zu einem Team dazugehören will, dann muss man Kompromisse eingehen – egal in welchem Bereich. Aber einen bestimmten Kern, den kann und soll man nicht verändern. 

Der Fußball ist mit meinem Vater so verwachsen, wie man sich eine Alessa ohne Alpakaliebe nicht vorstellen kann. Bei jedem Spiel, bei dem ich dabei war, habe ich mitgefiebert, als hätte ich darauf gesetzt. Und in einer gewissen Art und Weise habe ich auch darauf gesetzt: den Erfolg meines Vaters. Denn eines könnt ihr mir glauben, wenn ihr im Leben auch nur einen Bereich findet, den ihr so leidenschaftlich vorantreiben wollt, wie mein Vater den Fußball, dann könnt ihr euch glücklich schätzen. Die Höhenflüge habe ich ihm gegönnt. Doch schon da war die Talfahrt zu 100 Prozentiger Sicherheit gebucht.  Denn nach einem Hoch, kam ein Tief. Ich hätte schon vor Jahren den Hut auf die sogenannte „Branche“ geworfen. So undankbar und so respektlos geht es manchmal nicht mal in der Wirtschaft zu. Und sosehr ich mich beim Jubel gefreut habe, umso trauriger war ich, wenn etwas für ihn nicht aufging.

Was bei mir die falschen Freunde oder Kollegen waren, ist bei meinem Papa der Fußball. Ob ich das so generell sagen kann? Nach 20 Jahren in diesem „Spiel“ kann ich das. Wie oft habe ich gesehen, dass er die eine Woche der Held, in der nächsten das größte Orschloch von Wien war. Aber der Fußball ist auch für Überraschungen gut. Und das ist etwas ganz Spezielles. Selbst nach vielen Jahren auf Fußballplätzen, in Kantinen und Fußballbällen, ist der Fußball für eine Überraschung gut: Er ändert sich nicht.  Es ist immer derselbe Typ Mensch, der einem am Montag auf die Schulter klopft und dir das Blaue vom Himmel verspricht und dir am Samstag den Dolch in den Rücken rammt, wenn du verlierst. 

Da ist es schon sehr anstrengend der bessere Mensch sein zu wollen. An Veränderungen zu glauben und etwas bewegen zu wollen. Wäre es nicht viel einfacher, einen Gang zurück zu schalten und den Ungustln dieser Welt das Ruder zu übergeben? Einfacher wäre es schon, aber das sind dieselben Menschen, die eine Rauferei in der Schweinsliga anfangen, damit das Match abgebrochen wird. Das sind die Menschen, die daheim so wenig zum Sagen haben, dass sie Trainer und Spieler am Spielfeldrand beschimpfen. Und es würden dann die Menschen gewinnen, die dir nach zwei erfolgreichen Jahren im Verein den Kapitän der Spieler voran schicken, der dir dann ohne Begründung mitteilt, dass sich der ach so familiäre Verein von dir trennen muss. Dann würden genau die Menschen gewinnen, die die „Wahrheit“ öfters austauschen, als ihre Unterwäsche! Wollen wir das? Nein. Bleiben wir stark und bei der Wahrheit. Es gibt noch mehr von uns da draußen. Das weiß ich. Lassen wir uns nicht unterkriegen und bleiben wir ehrlich und authentisch. Die Wahrheit findet immer einen Weg, aber sie kriecht bekanntlich in keine Mausilöcher.

 
 
 

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